Hans Ulrich Imesch
Weinberglistrasse 47
CH-6005 Luzern

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Es war 1993, als Imesch die Telecab entwarf. 1994 beschloss die APG (Allgemeine Plakatgesellschaft), die Telecab mit Plakatkasten (es gibt sie auch ohne) in ihr Angebot aufzunehmen. Daraufhin wurde 1995 ein Prototyp angefertigt und 1996 standen, zum grossen Staunen der Öffentlichkeit – «Ja - gibt’s denn so was Schönes» – die ersten Telecabs an der Bahnhofstrasse in Zürich.

1998 wurde das Design der Telecab im Rahmen des international ausgeschriebenen Wettbewerbs DuPont Benedictus Award unter 2200 Eingaben von einer Jury der Union Internationale des Architectes for Special Merit ausgezeichnet, 1999 folgte eine Anerkennung im Rahmen des Design-Preises Schweiz.

Etwa ums Millennium drehte das Schweizer Fernsehen SF DRS im Kulturmagazin «next» einen bemerkenswerten Film, in dem der Chefredaktor der Fachzeitschrift «Hochparterre» das Design lobt. Die Regie lässt den Film mit der Feststellung enden: «... der bisherige Erfolg der Telecab lässt vermuten, neben Emmentaler, Armeesackmesser und Swatch könnte die Schweiz bald ein neues Aushängeschild bekommen ...

Das Interesse aus dem Ausland an der Telecab war in der Tat gross. München, Berlin, Stuttgart interessierten sich dafür und auch aus Belgien, England und Singapur kamen Anfragen. Es zeigte sich aber, dass aufgrund der länderübergreifenden Vernetzungen und speziellen Agreements der Aussenwerbefirmen ein Export verunmöglicht wurde.
Telecabs gibt es deshalb nur in der Schweiz. Rund 150 Exemplare stehen in verschiedenen Städten, zum Beispiel in Zürich, (Luzern), Winterthur, Basel, St. Gallen, Biel, Locarno, Lugano etc. Besitzerin dieser Telecabs ist die APG. Die APG kommt mit der Telecab auch in städtebaulich heiklen und anspruchsvollen Umgebungen zu attraktiven (und lukrativen) Werbeflächen. Und da die Telecabs auf öffentlichem Grund stehen, geht ein Teil der Werbeeinnahmen in die Kassen der jeweiligen Städte.

Neben der Funktion als Werbeträger ist die Telecab eine öffentliche Telefonkabine. Infolge der Entwicklung der Mobiltelefonie ist das Bedürfnis an Festnetzkabinen allgemein stark zurückgegangen. Um deren Attraktivität zu erhöhen, verfolgt die APG das Ziel, Apparate zu installieren, mit denen gratis ins CH-Telefonnetz telefoniert werden kann. In Biel ist dieses Konzept bereits umgesetzt.

2018 erschien in der «NZZ» ein engagierter Artikel mit dem Aufruf, für die Telecab eine neue Nutzung zu finden und mit dem Vorschlag, diese wegen ihres exklusiven Designs und der signifikanten Bedeutung als Landmarke im Stadtbild unter Schutz zu stellen.

Es ist also bekannt, dass es städtische Verwaltungen gibt, die die Telecab nicht als gelungenes Design-Objekt mit erhaltenswerten identitätsbildenden Qualitäten sehen, sondern ihre Sicht auf den Plakatkasten beschränken, also solche, die die Telecabs als blossen Werbeträger sehen und bei der Vergabe ihrer Werbestandorte auf die Zahlen schauen und den meistbietenden Aussenwerber bevorzugen.

So kam es zum Beispiel in Luzern – eine Stadt, die mit ihrem kulturellen Bewusstsein wirbt !?! – im September 2020 (als Folge eines stadträtlichen Beschlusses) zu einer perfekt orchestrierten Nacht- und Nebelaktion, bei der sämtliche (15) Telecabs in Luzern auf barbarische Weise mit schweren Maschinen zerstört, in Mulden geladen und auf Schutthalden geworfen wurden.

Ich gestehe – ich war gerade auf dem Weg zum Augenarzt –, ich traute meinen Augen nicht, als ich bei der Post anstelle der Telecab einen Fleck Asphalt auf dem Boden sah.

Was war geschehen? Als Antwort auf meine Nachfrage per Kontaktformular beim Stadtarchitekten, weshalb er das Okay zum Abriss gegeben habe (und sich nicht für den Erhalt der Telecabs eingesetzt habe), erhielt ich die Mitteilung eines Stellvertreters: «Da Herr (Stadtarchitekt) aktuell seinen wohlverdienten Urlaub geniesst, gebe ich Ihnen gerne eine Antwort auf Ihre Frage. Blabla, blabla, blabla. Wir hoffen Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben und wünschen Ihnen einen angenehmen Nachmittag.»

Ich empfand diese Antwort als schnoddrige Abfertigung, mit der ich mich nicht zufrieden gab: «Leider gehen Sie auf meine Frage nicht ein, sodass diese noch unbeantwortet ist. Da mir an einer qualifizierten Antwort gelegen ist, warte ich gerne die Rückkehr von Herrn (Stadtarchitekt) ab.» Das wars. Kein Echo. Nichts, kein Ton, kein Pieps.

Auf dem «Latrinenweg» kam mir zu Ohren, dass dem Stadtrat das Angebot der APG im Rahmen der Verhandlungen um Vertragsverlängerung nicht lukrativ genug war und dass es darum ging, im öffentlichen Raum der Stadt Luzern den Grümpel wegzuräumen.

Der «NZZ»-Vorschlag, die Telecabs unter Schutz zu stellen, ergibt Sinn. Neben den vielen kompetenten, sachorientierten, engagierten, kulturbewussten Beamten, die es glücklicherweise gibt, gibt es leider auch solche, die bloss 1 und 1 zusammenzählen können und auch in den schönsten Objekten im öffentlichen Raum bloss Grümpel sehen.

Irgendwie vorausschauend drehte 2020 das Museum für Kommunikation Bern unter dem Motto «filmische Dokumentation einer Design-Ikone» ein Video, das unter der Bezeichnung VDOK 00387 nun für die Nachwelt in Langzeit-Archiven aufbewahrt wird.

Hans Ulrich Imesch, IGGZ, Dezember 2020